Spende: Kolumbien – Gewaltfreies Zusammenleben – Arbeit mit Kindern

von eg
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Spende der Stiftung Sankt Elisabeth Eisenach 2020:    5.000 €.


Projektpartner: Corporación Proyectarte – PROYECTARTE

Ausgangslage

Antioquia war bisher eines derjenigen Departments von Kolumbien, welches am stärksten vom internen bewaffneten Konflikt zwischen Regierungskräften, paramilitärischen und Guerillagruppen betroffen war. Im Großraum seiner Hauptstadt Medellín leben ca. 3 Mio. Menschen, darunter viele Binnenflüchtlinge, die nach gewaltsamer Vertreibung aus ländlichen Gebieten in der Stadt Zuflucht suchten. Die Stadt war jahrzehntelang umkämpftes Gebiet und galt um die Jahrtausendwende mit ca. 6.500 Morden pro Jahr als eine der gefährlichsten Städte der Welt.
In den letzten 8 Jahren hat sich die Situation in einigen Stadtteilen deutlich verbessert. Sie gelten mittlerweile als relativ sicher und die bewaffnete Gewalt konnte eingedämmt werden. Doch trotz der Verbesserung der Situation leben Einwohner/innen in ärmeren Stadtteilen weiterhin unter prekären Verhältnissen und kämpfen täglich mit Gewalt, Kriminalität und den Folgen von Konflikt und Vertreibung aus Gebieten, in denen immer noch bewaffnete Gruppierungen aktiv sind. Familiäre und soziale Strukturen wurden durch Vertreibung oder Flucht vom Land in die Städte bzw. auch von einem Viertel in ein anderes zerstört. Durch Verschwinden oder Tod ihrer Männer ziehen Frauen ihre Kinder häufig alleine groß, während sie gleichzeitig einer Arbeit nachgehen müssen, um den Lebensunterhalt zu sichern. Kinder sind früh auf sich gestellt und ohne Schutz bzw. Aufsicht. Ihr Alltag ist nicht selten geprägt von innerfamiliärer Gewalt, Alkohol und
Drogenmissbrauch und, insbesondere am Rande der Stadt, der Kontrolle ganzer Stadtviertel durch kriminelle, teils paramilitärisch organisierte Banden. So auch in den Vierteln Bello Oriente, Santo Domingo und Santa Rita am  ordöstlichen Stadtrand von Medellín. Ein hoher Bevölkerungsanteil hat sich nach gewaltsamer Vertreibung dort angesiedelt. Das Zusammenleben unter beengten und oftmals auch nach Jahren noch improvisierten Wohnverhältnissen erlaubt kaum Privatsphäre. Circa 26,5% aller einschlägigen Anzeigen bewaffneter Gewalt in Medellín stammen aus diesen Stadtteilen, eine hohe Dunkelziffer wird vermutet. Laut Erhebung der Stadt Medellín geben hier 72% der Jugendlichen an, aus zerrütteten familiären Strukturen zu stammen; der Jugend-Entwicklungsindex, gemessen bezüglich Partizipations- und Bildungschancen sowie Einhaltung von Rechten und Lage der Familien, ist hier der niedrigste der ganzen Stadt.
Den Kindern und Jugendlichen erscheint ihre Entwicklung vorgezeichnet, ihnen fehlen Perspektiven mit ethischen und rechtlichen Prinzipien sowie Vorbilder für einen alternativen Lebensweg. Unkenntnis des eigenen Potenzials und geringes Selbstwertgefühl, fehlende kulturelle oder politische Angebote sowie eine regelrechte Apathie durch strukturelle und physische Gewalt machen sie anfällig für kriminelle Tätigkeiten.
Zwischenmenschliche Beziehungen sind häufig geprägt von Aggression und Konkurrenzdenken. Viele Jugendliche
entwickeln starke emotionale und Verhaltensstörungen, insbesondere, wenn sie unter traumatischen
Erlebnissen wie dem gewaltsamen Verlust von Familienangehörigen und Vertreibung leiden.
Proyectarte ist seit Jahren in diesen und anderen Stadtteilen aktiv und bietet psychosoziale Betreuung und kunsttherapeutische Workshops für Kinder, Jugendliche und ihre Familien an, oft in Zusammenarbeit mit ansässigen Kirchengemeinden oder städtischen Betreuungseinrichtungen des Jugendamts bzw. Familienministeriums.
Der Ansatz der Organisation geht von einer Reflektion der eigenen Situation und Veränderung des persönlichen Verhaltens durch Erkennen der eigenen Werte aus, um in einem weiteren Schritt Handlungsspielräume aufzuzeigen und die Familien sowie das soziale Umfeld einzubeziehen. Die Teilnehmer* innen der Workshops können ihre künstlerischen Werke lokal öffentlich ausstellen und durch Multiplikationsgruppen ihr Erlerntes an andere Jugendliche weitergeben. Kinder, Jugendliche und ihre Familien werden zudem über ihre Rechte informiert und ihnen Möglichkeiten aufgezeigt, diese einzufordern und umzusetzen. So soll ihre Lebensqualität verbessert, politische Partizipation ermöglicht und eine Friedenskultur nachhaltig gestärkt werden. Darüber hinaus unterhält Proyectarte Beziehungen zu lokal ansässigen
Unternehmen und Einrichtungen, über die Berufsausbildung, Praktika oder Nebenjobs vermittelt werden können.
Proyectarte setzt sich in seiner Arbeit auch aktiv mit dem Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen auseinander
und setzt sich für Nichtdiskriminierung sowie Bekämpfung von (insbesondere intrafamiliärer) Gewalt und für die Einhaltung der Menschenrechte ein.

Unser Projektpartner vor Ort

Unser Projektpartner Corporación Proyectarte – Proyectarte wurde 2010 gegründet und hat es sich zum Ziel gesetzt, positive persönliche und soziale Veränderungsprozesse bei Kindern, Jugendlichen und ihren Familien im Zusammenhang von Gewalt und Rechtsverletzung zu bewirken. Proyectarte unterstützt durch psychosoziale Betreuung und kunsttherapeutische Arbeitsmethoden die Selbstidentifikation, die Entwicklung von Werten, Fähigkeiten und Lebenszielen als auch das Erlernen eines respektvollen Miteinanders.
Sie leistet damit einen Beitrag, um eine Kultur des Friedens zu fördern, die Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen zu verbessern sowie politische und gesellschaftliche Beteiligung zu ermöglichen.
Proyectarte konnte bereits nachhaltige Verhaltensänderungen bei 220 Heranwachsenden im Umgang mit sich selbst, in der Beziehung zu anderen- als auch in der Beziehung zum Umfeld erreichen. Die Kinder und Heranwachsenden lernten, ihre Handlungsoptionen zu erweitern, sie haben in sich Fertigkeiten und Fähigkeiten entdeckt und entwickelt, die sie vorher nicht kannten wie Kreativität, Ausdrucksfähigkeit, Konfliktfähigkeit, Selbsterkenntnis und Vertrauen in sich selbst als auch in andere.

Worum geht es in diesem Projekt?

Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche in Kenntnis ihrer Rechte (und Pflichten) auf Grundlage ethischer Prinzipien handeln, eine Verbesserung der Lebensqualität für sich und in ihrem familiären, lokalen sozialen Umfeld erreichen und so eine Kultur des Friedens bewirken. Kinder und Jugendliche sollen konstruktiv positive Lebensperspektiven entwickeln, ihr Leben gewaltfrei und selbstbestimmt gestalten sowie Erlerntes bewusst an andere weitergeben.
Die Maßnahmen des Projekts richten sich direkt an ca. 140 Kinder und Jugendliche aus den Stadtvierteln Bello Oriente, Santo Domingo und Santa Rita, davon ein Großteil jener, die auch im Vorprojekt begleitet wurden. Davon sind etwa 40 junge Mädchen leben derzeit in Jugendeinrichtungen unter besonderen Schutzvorkehrungen, da sie innerfamiliärer Gewalt, Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch/Ausbeutung ausgesetzt waren. Eine Gruppe von 20 Jugendlichen wirkt in Multiplikationsgruppen in den o.g. Stadtteilen mit, wo sie das Erlernte weitergeben und somit mindestens 120 weitere Kinder und Jugendliche erreicht.
Auf Grundlage bisheriger Erfahrung wird davon ausgegangen, dass etwa 65% der Begünstigten Mädchen und Frauen sind, eine genaue Erhebung erfolgt im ersten Projektjahr.

Indirekt profitieren mindestens 800 Menschen im näheren familiären und sozialen Umfeld von der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen, wie bspw. durch die Etablierung einer gewaltfreien Kultur und verbesserter Kommunikation.

Geplante Maßnahmen

1. Arbeit mit Kindern und Jugendlichen:

  • Gestalterische Workshops (Malerei, Collage, Weben, Fotografie, Bildhauerei…) und Angebote zur
    emotionalen und kreativen Selbsterfahrung der Kinder und Jugendlichen
  • Permanente psychosoziale Begleitung
  • Pädagogische Ausflüge mit den Heranwachsenden zu emblematischen Orten in der Stadt

2. Familienarbeit:

  • künstlerische oder Reflektions-Workshops mit den Familien der Kinder und Jugendlichen zur Stärkung
    der Selbsthilfekräfte
  • monatliche psychosoziale Begleitungsangebote für einzelne oder mehrere Familien zur Verankerung
    von Erziehungsmethoden, die gegenseitiges Wahrnehmen, Zuhören und ein familiäres Zusammenleben
    ohne Gewalt stärken
  • Ausflüge ins Grüne bzw. Treffen unter Einbeziehung der Familien, damit diese andere Formen der
    Erholung kennenlernen und sich familiäre Bindungen stärken
  • Beteiligung an oder eigenständige Organisation von Kunstausstellungen und oder Aufführungen des
    Erlebten und Erlernten durch die Jugendlichen

Indikatoren:

  • 70% der Kinder und Jugendlichen verändern sich durch ein gestärktes Selbstwertgefühls und mehr
    Selbstvertrauen positiv. (messbar an: adäquatem Umgang mit Emotionen; stabiles Selbstverständnis
    mit eigenen Wertvorstellungen, Urteilsvermögen, Idealen; etc.)
  • 50% der Familienangehörigen gelingt es, die Qualität der Beziehungen in der Familie zu verbessern.
    (messbar an: Familien pflegen den Dialog, schlichten Streit ohne Gewalt; beteiligen Kinder/Jugendliche
    an Entwicklung von Regeln und Grenzen, etc.).
  • 80% der jugendlichen Multiplikator*innen stoßen aktiv und effektiv Aktivitäten an, die die
    gesellschaftliche Realität im Sinne einer Kultur des friedlichen Zusammenlebens verändern.
    (messbar an: Zahl der Initiativen)

Warum ist Ihre Hilfe wichtig?

Die Schaffung einer Friedenskultur von unten ist ein vieldiskutiertes Thema in Kolumbien. Der 2016 auf politischer Ebene zwischen der Regierung Santos und der ehemaligen FARC-Guerilla unterzeichnete Friedensvertrag muss seinen sozialen Widerhall im Alltag der Kolumbianer/innen finden. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und ihren Familien in diesem Bereich hat daher hohe Relevanz. Das Aufzeigen von Alternativen zu Gewalt und Bandenkriminalität ist insbesondere für Medellín ein Schritt in diese Richtung.

Eine 2017 von der Interamerican Foundation, IAF, finanzierte Evaluierung zum Ansatz von Proyectarte hat nachgewiesen, dass die Stärkung der Selbsthilfekräfte, die Förderung des Bewusstseins für eigene Stärken, Bedürfnisse und Fähigkeiten als auch die Vermittlung von Werten und Instrumenten zur Analyse und Gestaltung eines positiven und gewaltfreien Umgangs mit den Mitmenschen wesentlich zur selbstbestimmten, positiven Entwicklung der Kinder und Jugendlichen beitrug. Alle Befragten sagten aus, dass sie die positiven Entscheidungen in ihrem Leben auf die Beteiligung an Projekten von Proyectarte zurückführen.

Sie hätten dort gelernt:
jeder Situation etwas Positives abzugewinnen, durch Methoden der Selbstreflexion schneller (und angemessenere) Auswege aus schwieriger Lage zu finden;
Durchhaltevermögen und spirituelle Stärke zu entwickeln und mehr auf sich zu achten und mehr Selbstvertrauen und weniger Angst zu haben, den eigenen Weg im Leben zu gehen.

 

Projektpartner: Corporación Proyectarte – PROYECTARTE

Projekttitel: Psychosoziale Betreuung und kunsttherapeutische Arbeit mit benachteiligten Kindern und
Jugendlichen aus Stadtrandvierteln von Medellín und Umgebung

Projektlaufzeit: 1.4.2019-31.3.2022

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